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Bewegender Abend mit Kurt Tallert

Aus „Spur und Abweg“ las Kurt Tallert am vergangenen Freitag in der Ehemaligen Jüdischen Schule in Leer. Dieser graue Februarabend, er sollte inspirierend werden. Die Lesung entstand in Kooperation von der Ehemaligen Jüdischen Schule Leer, der Volkshochschule Leer und Borussia Leer.

Kurt Tallert, den Hip-Hop-Fans eher als Retrogott kennen dürften, erzählt in „Spur und Abweg“ große Teile seiner jüdischen Familiengeschichte; wie sein Vater Harry Tallert von den Nazis als „Halb-Jude“ angesehen und verfolgt wurde; wie ihn seine Familienbiografie, die Geschichte seines Vaters schon als Kind beeinflusste und wie sie es auch heute tut. An diesem Abend hörten die mehr als 50 Menschen, die den Veranstaltungsraum der Ehemaligen Jüdischen Schule füllten, auch von Seiten seines Buches, durch die sich dem inneren Auge hiesige Geschehnisse aufdrängen. Etwa, wenn die Erinnerungskultur thematisiert wurde; wenn es um Jüdische Friedhöfe ging, die oft der letzte sichtbare Beweis sind, dass es an einem Ort einmal jüdisches Leben gegeben hat und die nicht selten nicht einmal den Menschen bekannt sind, die diese Orte ihr Zuhause nennen. Oder Kurt Tallert vom Bau einer Tankstelle in Bad Honnef erzählte, an dem Ort, wo früher einmal, bevor die Nazis diese niederbrannten, eine Synagoge stand; die Idee, die im Nationalsozialismus entstand, in der Bundesrepublik umgesetzt wurde. Auch am Standort der Synagoge in Leer, die den Nazis ebenso zum Opfer fiel, wurde völlig pietätlos eine Kfz-Werkstatt und Tankstelle gebaut. Nur eine unauffällige Gedenktafel erinnerte viele Jahrzehnte an die Synagoge und das jüdische Leben in Leer. Erst vor etwa 20 Jahren wurde mit der Errichtung der Synagogen-Gedenkstätte auf der gegenüberliegenden Straßenseite nachgebessert.

 

Zwischen dem Lesen der Kapitel und seinen Erzählungen verlieh Kurt Tallert seiner Lesung eine weitere persönliche Note, indem er drei Lieder rappte, die auf dem Weg zu „Spur und Abweg“ entstanden; durch die die anwesenden Menschen noch tiefer in diesen Abend eintauchten.

Mit der Lesung und Musik fand die Veranstaltung noch lange kein Ende. Es entstand eine intensive Fragerunde, in der sich auch das Publikum öffnete und der Autor stets die treffenden Antworten fand. Im Anschluss daran blieb noch Zeit für das Signieren der Bücher, für direkte Gespräche, nahm sich Kurt Tallert diese auch, um die Musik einer jüngeren Person aus dem Publikum zu hören und diese zu ermuntern, weiterzumachen. Am Ende dieses Abends war ein Blick in die Gesichter aller anwesenden Menschen ein bewegender, weil für niemanden die Veranstaltung schon wirklich beendet zu sein schien; weil viele die vergangene Zeit in den weiteren Abend, etwas von diesem Abend mitzunehmen vermochten.

 

Kurt Tallert wird als Retrogott weiter Musik machen, vielleicht auch damit wieder den Weg nach Leer finden. Und sein beeindruckendes Werk „Spur und Abweg“, sein beeindruckendes Schreiben in Buchform hoffentlich fortsetzen. Wir können den nächsten Auftritt in Leer jedenfalls nicht erwarten. Und schließen erst einmal damit: danke!

 

Fotos: Jürgen Bambrowicz, Mario Rauch

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