
Ein hochinteressanter Abend! Sportjournalist Ronny Blaschke war am Mittwochabend zu Gast im Clubheim des SV Borussia Leer. Im Rahmen der Pre-Festival-Veranstaltungen des Oldenburger Gegengerade-Festivals ging es um das Thema „Milliardenspiele für die Monarchie – Saudi-Arabien und der Wandel durch Fußball“.
Im Fokus von Blaschkes Präsentation stand die Frage, wie das autoritär geführte Königreich den Fußball und andere Sportarten als Bühne für weltweite Imagepflege und geopolitische Selbstdarstellung nutzt. Der 43-Jährige zeichnete ein differenziertes Bild von Saudi-Arabien im Wandel. Er zeigte, wie der Sport zum zentralen Instrument der Selbstinszenierung und Modernisierung wird – und wie eng Fortschritt und Repression dabei miteinander verwoben sind.
Der Autor des „Fußballbuchs des Jahres 2024“ schilderte, wie Saudi-Arabien Milliarden in Großereignisse wie Fußball, Formel 1, Boxen und Wrestling investiert. Ziel ist es, das Land als modernen, offenen Staat zu präsentieren, um Tourist*innen und Unternehmen anzuziehen – auch, damit auf lange Sicht die Abhängigkeit vom Öl verringert wird.
Ronny Blaschke diskutierte mit den 30 Gästen im Borussia-Clubheim kritisch das Konzept des „Sportswashings“: Sport dient dem Regime als PR-Instrument, um von gravierenden Menschenrechtsverletzungen und fehlender politischer Teilhabe abzulenken. Denn während im Sport und Unterhaltungssektor neue Freiräume entstehen, bleiben Meinungsfreiheit und politische Mitbestimmung weiter eingeschränkt.
Der Journalist zeigte dabei auch eine Ambivalenz auf: Einerseits werden Frauen und junge Menschen sichtbarer, es entstehen neue wirtschaftliche Chancen und ein gewisser gesellschaftlicher Aufbruch. Andererseits bleibt das autoritäre System repressiv, Aktivist*innen werden verfolgt, und die Pressefreiheit ist weiterhin massiv eingeschränkt. Menschenrechte werden nach wie vor verletzt.
Ronny Blaschke thematisierte auch explizit, welche Rolle Deutschland und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im Kontext des saudischen Sports und der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2034 spielen. Er stellte heraus, dass der DFB – wie viele andere europäische Verbände – der Vergabe der WM an Saudi-Arabien zugestimmt hat und damit Teil eines internationalen Systems ist, das autoritären Regimen wie Saudi-Arabien durch sportliche Großereignisse Legitimität und Sichtbarkeit verschafft.
Auch die Bundesregierung pflege enge wirtschaftliche Beziehungen zu Saudi-Arabien. So verweist Blaschke darauf, dass wirtschaftliche Interessen häufig als Argument für eine pragmatische Haltung gegenüber autoritären Staaten herangezogen werden – sowohl im Sport als auch in der Politik.
Wer Ronny Blaschke bei Borussia verpasst hat, bekommt bereits im nächsten Monat die nächste Chance in unserer Region: Beim Gegengerade-Festival in Oldenburg wird der Autor eine Podiumsdiskussion zum Thema Fußball und Depressionen moderieren.
Borussia Leer ist Kooperationspartner des Festivals, das vom 11. bis 14. Juni stattfindet.